Frau Greif unterwegs: re:publica 24 – Der Versuch eines recap

Frau Greif unterwegs: re:publica 24 – Der Versuch eines recap

Frau Greif war wieder unterwegs! Vom 27. bis 29. Mai 2024 fand die re:publica in der STATION Berlin statt. Das Festival für die digitale Gesellschaft jährte sich zum 18. Mal und stand unter dem Motto „Who cares?“.

We do!

Für Jugendliche von 13 bis 25 Jahren fand zeitgleich die TINCON vor Ort statt und ermöglichte für Erwachsene wie auch Jugendliche den Blick auf die andere Seite.

Unter diesem großen Dach war einiges geboten. Von Standprogrammen über vegetarisches Catering bis hin zu Talks, Vorträgen, MeetUps und etlichem mehr.

Dem Ruf der Veranstalter folgend sind mein Begleiter und ich sonntags mit dem ICE angereist. Die Deutsche Bahn zeigte sich von ihrer besten Seite und wir erreichten pünktlich und ausgeruht unser Ziel: Berlin.

Unsere Homebase lag in in Nähe des Checkpoint Charlie und damit ca. 2,5 km vom Veranstaltungsgelände entfernt. Das große Angebot an E-Scootern kam uns gelegen und wir nutzten diese zur Fortbewegung innerhalb Berlins. Dabei gab es die erste Überraschung: Berlin ist sehr fahrradfreundlich. Wer hätte das gedacht?!

Für mich war es die erste Veranstaltung dieser Art. Ich hatte im Vorjahr annähernd alle Talks der vorangegangenen re:publica in YouTube angeschaut und konnte es kaum erwarten selbst live daran teilzunehmen.

Die Organisation war gut durchdacht und wir fanden uns schnell zurecht. Am Vorabend hatten wir in der zugehörigen App unseren Tagesplan zusammengestellt und es war ein straffes Programm. Verlegungen oder Änderungen wurden über die App zeitnah mitgeteilt.

Programm

Die großen übergeordneten Themen der re:publica waren (grob umrissen) Rechtsradikalismus, Klimakrise und Künstliche Intelligenz. Zu jedem Themenblock gab es ein reichhaltiges Angebot an Informationen und verschiedenen Blickwinkeln.

Meine Highlights

Herausstellen möchte ich einige Talks, die mich berührt oder zum Nach- und Umdenken angeregt haben. Um das aber nicht ausarten zu lassen, beschränke ich mich auf wenige Highlights.

Jean Peters – Geheimplan gegen Deutschland

Eine knappe Stunde dauerte die Session an. Jean Peters (correctiv.org) schilderte eindrücklich wie die Recherchen zur „Wannseekonferenz 2.0“ abliefen. Obwohl ich bereits das im März diesen Jahres erschienene Buch „Der AfD Komplex“ gelesen hatte, war die Erzählung aus erster Hand eine ganz andere Erfahrung.

Mit gekonntem Witz verstand er es die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Mich inbegriffen. Angefangen beim ersten Hinweis auf ein Geheimtreffen über die Undercover-Aktion beim Treffen selbst bis hin zu den Auswirkungen nach der Veröffentlichung des „Geheimplans gegen Deutschland“ zeichnete er ein Bild, das niemanden kalt ließ.

Ganz zurecht gab es Standing Ovations zum Ende seines Vortrags. An dieser Stelle bin ich ungeheuer dankbar dafür, dass es Menschen wie ihn und seine Mitstreiter bei CORRECTIV gibt, die für uns kritisch hinterfragen, sich selbst in die „Schusslinie“ begeben und Hässliches ans Tageslicht zerren.

Meine persönliche Meinung zu der ganzen Story: Nie wieder ist jetzt! Ich bin erschüttert wie herablassend einige sich das Recht herausnehmen über die Leben vieler Menschen entscheiden zu dürfen. Denn das sind wir alle miteinander. Menschen.

Sicherlich treffen im täglichen Miteinander immer wieder Welten aufeinander. Mancher mag auch voller Stolz deutsch sein; ich bin es nicht. Stolz bin ich erst, wenn der Fremdenhass aus diesem Land verschwunden ist.

Nimmt man noch die Tötung des Polizisten im benachbarten Mannheim und die anschließende Instrumentalisierung durch die AfD und andere Rechtsextreme dazu, bin ich angewidert. Angewidert davon, dass ein solches Gebaren in Deutschland möglich ist.

#reclaimtiktok: Warum wir TikTok nicht den Rechten überlassen dürfen

Magdalena H. plauderte aus dem Nähkästchen, wie sie zusammen mit anderen Aktivist*innen von Fridays for Future unter dem Hashtag „#reclaimtiktok“ dem Rechtsradikalismus und der Desinformation den Kampf ansagte.

Nach kurzer Zeit gab es erste Erfolge. Es wurde durchgehend über Themen wie Politik (Parteiprogramme), Klima und Europawahl aufgeklärt. Die Resonanz war und ist noch immer groß. Weitere Unterstützer*innen folgten und veröffentlichten selbst mit dem Hashtag Videos auf TikTok. User fragten in den Kommentaren nach und zeigten sich interessiert.

Eine wichtige Hintergrund-Info ließ uns alle staunen: Die PR-Maschinerie der AfD und Anhänger umfasse rund 100 Personen. Vergleichen wir das mit den kläglichen Versuchen der Großparteien in TikTok Fuß zu fassen, wundert der Erfolg der AfD nicht mehr. Allein schon durch die Masse an Inhalten aus der blauen Ecke wird ein Gegenhalten sehr schwierig.

Meine eigene Recherche bei den großen AfD-Accounts ergab, dass neben etlichen Loyalitätsbekundungen dort genauso in den Kommentaren nachgefragt wird. Fragen wie „Was ist passiert?“ oder „Was haben die gemacht?“ häufen sich dort. Nur ist dann niemand da, der ehrlich aufklärt. Es wird lediglich Populismus im Stil einer Bild-Zeitung weitergegeben. Die breite Masse zeigt sich dort wenig bis gar nicht aufgeklärt oder politisch informiert.

Mittlerweile ist Magdalena selbst ins Visier der Rechtspopulisten geraten. Wie sie damit umgeht und wie es weitergeht erfährt man in der Reportage „Furchtlos gegen Rechts“ in der ARD Mediathek.

Terra X Lesch & Co – Klimafreundliche Mobilität, ein Gewinn für alle?

Ein Highlight war der Live-Stream der Terra X Folge mit Harald Lesch, Claudia Kemfert, Luisa Neubauer und Jasmina Daria Neudecker. Nach einem kurzen Abriss wie sehr die meisten von uns noch immer die eindrücklichen Bilder aus der Werbung der Automobilindustrie im Kopf haben (leere Serpentinenstraße, ein schneller Wagen fährt am schönsten Sommertag), war die Überleitung zur Realität ernüchternd.

Luisa erklärte ganz treffend, dass die Automobilindustrie mit Träumen und Gefühlen aus alten Zeiten wirbt. Das kann ich nur bestätigen. Ich selbst habe mich auch schon geärgert, wenn der Arzttermin in der Innenstadt nur schwerlich mit dem Auto erledigt werden kann. Was aber, wenn man sich bewusst mit anderen Möglichkeiten der Mobilität auseinandersetzt?

Notgedrungen hatte ich das bereits getan. Da Ludwigshafen am Rhein genauso wie Mannheim gefühlt nur aus Baustellen bestehen, bin ich bereits öfter auf die öffentlichen Verkehrsmittel ausgewichen. So konnte ich bereits (überzogene) Parkkosten und ein paar Stunden Zeit (ohne Stau) einsparen.

Eine weitere interessante Information war, dass 90 % der Autofahrten Kurzstrecken von maximal 10 km sind. Das gab den Ausschlag für mich noch einmal ernsthaft über meine Gewohnheiten nachzudenken.

Beim Besuch der re:publica in Berlin hatten wir bereits vorwiegend E-Scooter genutzt. Darum wird auch in meinen Haushalt zeitnah ein solcher einziehen. Mein Brötchenjob liegt weniger als 10 km von meinem Zuhause entfernt, sodass ich mir dann auch hier den Berufsverkehr in Zukunft sparen kann.

Für alle, die nicht auf das Auto verzichten können wird die Straße leerer und mir weht in Zukunft mehr Wind und weniger Klimaanlage um die Nase.

Fazit

Selbst mehr als zwei Wochen danach bin ich noch immer fasziniert von all dem Input, der geboten wurde. Wenn ich mir das Urteil selbst erlauben darf, bin ich auch charakterlich daran gewachsen. Die eigene Nase steckt berufsbedingt dauernd in Social Media und manchmal verliert man dabei die großen Themen vielleicht etwas aus den Augen. In Berlin wurde (für mich) der Maßstab von wichtig und unwichtig wieder zurechtgerückt und ich kann einen Besuch der re:publica nur wärmstens empfehlen!

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